Paris? London? New York? Man weiss nicht so recht, wo man sich befindet, wenn man das Geschäft betritt. Eine kunterbunte Oase mit Hunderten kleinen Schätzen, eindrücklichen Objekten und wundersamen Gegenständen, die unsere fünf Sinne auf Hochtouren bringen wie die Kerze «Ernesto», die nach Tabak und Leder riecht. Die Nase rümpft sich leicht, als man das Etikett liest, und dann – kaum hebt man die Duftglocke über der Kerze in die Höhe – befindet sich das Riechorgan im Himmel der Düfte. Man zieht so viel Luft durch die Nase wie nur möglich, damit auch ja kein Duftmolekül entwischt. Aus der Werkstätte «Trudon» in der Normandie stammt Ernesto laut Etikett. Seltsam, denkt man doch bei der Normandie zuallererst an Fisch, Käse und Monet – und nicht etwa an Kerzentüftler.
Wie auch immer. Schulterzucken, weiter riechen, riechen, riiiiiechen … bis der Blick auf den riesigen Kronleuchter fällt, der gleich beim Eingang gut sichtbar von der Decke hängt. Dem wunderbar kitschigen Kunstwerk hat Claudia Silberschmidt, die Besitzerin des Geschäfts, also den Logenplatz eingeräumt – und das zu Recht. Die gläserne Lampe ist mundgeblasen und stammt von der allseits bekannten venezianischen Insel Murano. Der Glasbläser hat bei diesem Kronleuchter eine Art umgedrehten Blumenstrauss kreiert, der nun vermeintlich aus der Decke zu wachsen scheint. In den pinken Blütenblättern sind kunstvoll die Glühbirnen eingepasst. Wer bereits einmal auf Murano war und das Handwerk der Glasbläserei live miterlebt hat, ist tief beeindruckt von dieser fragilen Schönheit – alle anderen wohl auch.
Nachdem man fertig gestaunt hat und jede der harmonisch geformten Blüten ausgiebig betrachtet hat (kann eine Weile dauern), wendet man sich wieder anderem zu. Es gibt ja noch ganz viele weitere Schätze zu entdecken. Vielleicht einen schönen Gebrauchsgegenstand für zu Hause? Wieso auch nicht. Die bunten Kristallgläser dort drüben sehen hübsch aus. Man greift zu, tastet und fühlt … Acryl. Einen kurzen Augenblick macht sich Verwunderung breit, aber dann kommt einem ganz schnell die Idee von der eleganten Silvesterparty auf der Terrasse, die bald ansteht. Gekauft.
Acryl-Kristallgläser neben mundgeblasenen Glas-Leuchten, dort ein Navajo-Teppich, daneben ein italienisches Kochbuch. Edle Lederaccessoires aus der eigenen Kollektion und Designergeschirr von Ginori stehen neben der Kerze, die einer Wassermelone nachempfunden ist. Es ist schwierig, dieser kleinen Oase einen übergreifenden Namen zu geben. Google sagt «Haushaltswarengeschäft». Diese Beschreibung trifft es sicherlich nicht. Ein Laden für Wohnaccessoires? Claudia Silberschmidt verneint vehement. Shop für Lifestyle nennt sie ihr Herzstück liebevoll. Ja, das trifft es wohl ziemlich gut. Eine bessere Bezeichnung fällt grad nicht ein … aber man hat ja auch nicht allzu lange Zeit zum Überlegen, man will weiter tasten, riechen, spüren; in die fantastische Welt eintauchen, die Zeit bei der Entdeckungsreise vergessen. Ein bisschen fühlt man sich hier wie Alice im Wunderland, umgeben von herrlich skurrilen, fantastischen und humorvollen Objekten, die einen zugleich staunen und schmunzeln lassen … «Grüezi wohl.» Die Kundin nickt beim Betreten des Geschäfts allen freundlich zu. Grüezi wohl. Züridütsch. Und wie zur Bestätigung fährt vor dem Schaufenster gerade in diesem Augenblick das blaue Tram Nummer 4 durch. Das Klingeln der Rasselglocke holt einen im gleichen Moment wieder zurück auf den Boden der Tatsachen: Dieses kleine, lustvolle Paradies befindet sich also weder in Paris noch in London oder New York, sondern in Zürich an der Mainaustrasse 42. Langsam beginnt die wundersame Welt, die einen wie weiche Watte umhüllt hat, zu verschwimmen und man nimmt wieder die Realität um sich herum wahr: das Tram, die Kunden, den Lifestyleshop.
… Und weil die kleine imaginäre Reise so wunderbar kurios war, wollen wir doch gleich ein paar Fragen an diejenige Person stellen, die diesen Ort geschaffen hat: Claudia Silberschmidt.
Sie sind eine erfolgreiche Innenarchitektin und Designerin und haben mit dem FROHSINN einen Ort geschaffen, der den Puls der Zeit spürt. Talent oder hart erlernte Empirie?
Ich glaube, es hat mit Neugierde zu tun. Ich bin keine Erfinderin. Aber ich bemühe mich, immer ein kleines bisschen was zu verändern, etwas besser machen zu wollen, etwas zu hinterfragen.
Vergissmeinnicht, Amber, Strawberry, solch wohlklingende Namen tragen die neuen Farben Ihrer Kollektion. Sie stammen ja ursprünglich aus dem Appenzell, wie sehr spielt die Natur bei der Produktentwicklung eine Rolle?
Eine sehr grosse! Vergissmeinnicht hat mich beispielsweise schon als kleines Mädchen fasziniert; meiner Mutter brachte ich immer riesige Sträusse davon nach Hause mit. Ich denke, heute kommen plötzlich Sachen aus meiner Vergangenheit aus mir raus – und die lebe ich nun.
«Only happy News!» Diese Meldung erscheint gleich zuerst, wenn man die Website aufruft, zusammen mit dem Anmeldeformular für den Newsletter. Sehen Sie es als Ihre Bestimmung, das Leben der anderen ein kleines bisschen fröhlicher zu gestalten?
Absolut. Ich gehe mit einem Smile durchs Leben und mache mich immer mit einer gewissen Fröhlichkeit, einer Leichtigkeit an meine Aufgaben. Unsere Produkte werden dieser Philosophie bereits gerecht, unsere Kommunikation hinkt dabei noch etwas hinterher. Dieses Freche, Nonchalante wollen wir in Zukunft noch besser rüberbringen.
Wie gut kennen Sie Ihre Kunden? Können Sie vorhersagen, was zum Verkaufsschlager wird?
Viele sagen ja, man solle nie so einkaufen, als wenn es für sich einen wäre. Ich bin da anderer Meinung. Ich kuratiere sozusagen mein Geschäft, mache also selbst den Einkauf und mische internationale Brands und Vintage-Objekte mit meinen eigenen Produkten. Die Inspiration dafür stammt jedoch immer von meinen Kunden. Ich bin eine gute Zuhörerin und so entstehen während Gesprächen mit Kunden im FROHSINN sowie mit denjenigen, die mich als Innenarchitektin aufsuchen, immer wieder neue Ideen. Teilweise entspringen aus einem solchen Gedankenaustausch neue Konzepte oder sogar ganze Kollektionen, die ich selbst entwerfe und produzieren lasse.
Hatten Sie für den FROHSINN ein Vorbild? Eine Entdeckung auf einer Ihrer Reisen, die Sie nach Zürich bringen wollten?
Nein, überhaupt nicht. Der FROHSINN ist aus meinem Innenarchitekturunternehmen Atelier Zürich heraus gewachsen: Wenn ein Kunde sich plötzlich doch gegen ein massgefertigtes Möbel entschieden hatte, brachte ich es nie übers Herz, es einfach wegzugeben. Aus diesem Grund entwickelte ich einen Showroom, um die ungewollten Möbel zu «recyclen». Nach und nach füllten wir unseren Showroom mit immer mehr Produkten. Später entwarfen wir für ein Privatprojekt unsere eigene Lederkollektion, da wir einfach nichts fanden, das unseren Vorstellungen entsprochen hätte. Und so reifte langsam das Konzept FROHSINN heran. Mit dem Flagshipstore habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. FROHSINN werde ich also machen, bis ich tot umfalle.