Zwischen Traum und Wirklichkeit. Mein liebster Ort. Mein sicherer Hafen. Meine Oase. Dann, wenn die Welt schläft, winden sich meine Gedanken um alles und nichts. Um alles, was sich während des Tages in einer Chaosschublade meines Hirns angesammelt hat und spät abends oder nachts sich tröpfchenweise Zugang verschafft zu meinen Gedanken. Um nichts, was ich mir während des Tages erlaube, da jegliche Distraktion zu einem Ungleichgewicht meines Lebensgerüsts führt. Ohne Helm und doppelten Boden.

«Schlussendlich sucht jeder Mensch nach seinem ganz persönlichen Zuhause. Darum geht es doch im Leben», sagte mir kürzlich eine lebenskluge Person, ein Mensch, bei dem ich mich zuhause fühle. Stimmt die Aussage? Sie lässt mich nicht mehr los, seit ich sie zum ersten Mal gehört habe. Suchen wir nicht alle nach dem einen Sehnsuchtsort, während wir uns tagein, tagaus bewegen und weiterentwickeln? Oder sehnen wir uns vielmehr nach Akzeptanz unseres Ichs, das sich über viele Jahre formt zu einer immer unflexibleren Komponente? Bewegen wir uns nicht nur alle zur selben Zeit auf demselben Planeten, sondern auch in derselben Art und Weise? Oder befinden wir uns manchmal da und manchmal dort, den Mitmenschen und der unmittelbaren Umgebung angepasst? Können wir uns das Gefühl von Angekommensein auch selbst geben? «Ich fühle mich in mir zuhause», eine Aussage, die gleichermassen leichtfüssig wie stark klingt. Und dann sind da noch unsere tiefen Sehnsüchte nach den mystifizierten Parallelwelten _ jene Orte, die sich wie Schatten in der Stille der Nacht bewegen, kaum merklich, wie flüsternde Echos in den Ecken unserer Wahrnehmung. Sie sind die Räume zwischen den Zeilen, die Zwischenräume der Existenz, in denen das Vertraute zu einem fremden Flüstern wird und das Unmögliche greifbar nah erscheint.

Stell dir vor, ein feiner Schleier trennt unsere Realität von unzähligen anderen, so dünn, dass das Licht hindurchscheint, doch undurchdringlich genug, um uns den Blick zu verwehren. Jeder Schritt, den wir in unserem Leben machen, könnte eine Abzweigung sein, ein Schimmer auf einem neuen Pfad, der sich jenseits unseres Horizonts ausbreitet. Jede Entscheidung, die wir treffen, ist ein Schlüssel, der eine Tür öffnet, von der wir niemals wissen werden, wohin sie hätte führen können.

In einer dieser Welten mag ein anderer Teil von dir lebendig sein _ einer, der den Mut fand, einen anderen Weg zu gehen, der das Risiko wählte, an dem du gezögert hast. Vielleicht sind seine Tage erfüllt von einem Dasein, das sich anfühlt wie ein Tanz im Sonnenlicht, wo deine Schritte zögerlich im Schatten verweilen. Oder er streift einsam durch eine Wüste aus Entscheidungen, die niemals getroffen wurden, wo sich in der Ferne das Flimmern einer Hoffnung verliert, die du einst losgelassen hast.

Unsere Existenz ist wie ein Spiegel, dessen Glas nie vollkommen klar ist. Er reflektiert, bricht und verzerrt das Licht, sodass wir nur Bruchstücke dessen sehen, was sein könnte. Und manchmal, wenn die Dämmerung fällt und die Menschheit in jener schwerelosen Stille verharrt, bevor die Nacht sich voll entfaltet, glauben wir, die Grenzen verschwimmen zu sehen. Ein flüchtiges Gefühl, ein Hauch von Vertrautem in einem fremden Gesicht, der uns kurz innehalten lässt, als hätten wir einen Schritt neben die vertraute Spur gesetzt. Doch diese Lebensweise ist nicht nur fern und unerreichbar. Sie ist nah, schimmernd in den kleinen Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen, in den ungelebten Momenten, die sich aufstauen und zu Meeren der Möglichkeiten anwachsen. Ein Atemzug, ein Augenblick des Zögerns, und die Wellen tragen uns auf einen anderen Pfad. Vielleicht ist es das, was unsere Gedanken wirklich sind – ein Kaleidoskop unserer Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte, das sich dreht und uns einen Blick in ein Reich gewährt, das so nah und doch immer ausser Reichweite bleibt.

Vielleicht sind einschneidende Erfahrungen nicht nur Momente des Verlusts oder der verpassten Chancen. Vielleicht sind sie auch die Hüter unserer Träume, die wir irgendwann aufgeben mussten. Vielleicht bewahren sie all das, was wir uns einst erhofft haben, und lassen es in einem anderen Raum, einer anderen Zeit erblühen. Und so entwickeln sie sich – oder vielmehr dich – weiter, getragen von dem ewigen Flüstern dessen, was sein könnte, wenn wir nur den Mut hätten, einen Schritt weiterzugehen. Auf dem Weg nach Hause.

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