So sind wir Menschen. Wir zweifeln, hadern, negieren, können oder wollen nicht glauben. Bestreiten. Verteufeln. Fragen, ohne eine Antwort abzuwarten. Und reden, wo es Stille braucht. Und dann sehen wir sie, wenn das Boot an solch herbstlicher Morgenstunde das Wasser des Kanals mit dem der Lagune tauscht, jene Linie. Verschwommen noch von der feucht-schwangeren Luft des kälter werdenden Nachsommers in Stufen von Grau und feinem Rosa obenauf. Gleich einer Skizze, bei der ein Pinselstich genügte, die vor Jahrhunderten in den Sumpf getrieben Fundamente wegzuknicken und sie neu und immer wieder anders aufzurichten.
Doch das Ewig-Schöne steht, obwohl verschwommen, unverrückbar in seiner Vergänglichkeit und fällt uns aufs Herz, wenn wir beim Näherkommen jäh der Fenster Bögen ansichtig werden, die so charakteristisch in ihrem Schwung nur hier zu finden sind. Es sind Venedigs Fenster. Und seine Säulen, die vom Löwen bekrönt, uns Willkommen winken. Schlank und stark wie eh und so zerbrechlich. Es sind der Dächer farbige Geflechte gleich Spielbrettern eines unergründlichen Spieles, die lang Vertrautes in uns wecken. Und unser Lächeln, das ganz feine, fast innerliche, das nicht mehr aufzuhören vermag, solang Venedigs Licht und Schatten uns erreichen kann.
Im Blick der anderen erkenne ich mich selbst, im verzückten Leuchten über den sinnlichen Tanz von Form und Farbe wie im aufzuckenden Schmerz, wenn das Auge zum ersten Mal im dunkel fliessenden Spiegelbild die Fäulnis gewahrt, die hochkriecht an Fassaden und Brückenpfeilern. Und hier beginnt sie nun die Suche Schritt für Schritt und Blick für Blick nach dem Unversehrten und findet doch wieder und wieder nur das, was noch ist in seinem Schimmer aus Weiss und mattem Gold oder tiefdunklem Bordeaux und bald schon nicht mehr. Morgen vielleicht, übermorgen oder erst in einhundert Jahren. Egal – nur hier, vom Glucksen und Plätschern
umflossen finden wir so reichlich ausgebreitet den Luxus des Schönen, das so nah am Abrunde des Vergehens steht. Noch steht. Noch immer steht. Jetzt noch. Und wir mitten drin. Wie nirgendwo sonst unserer eigenen Vergänglichkeit bewusst.