«Die Eleganz liegt in der Atmosphäre» – Raoul Sanchez über Räume, die berühren

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04.07.2025
Larissa Groff

5 Minuten

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«Die Eleganz liegt in der Atmosphäre» – Raoul Sanchez über Räume, die berühren

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Die Viaduktbögen vor der Josefwiese wissen viele Geschichten zu erzählen – von Industrie, Transport und dem grossen Umbau. Aber heute geht’s um eine ihrer Erfolgsgeschichten: Raoul Sanchez präsentiert im September dieses Jahres seinen zweiten Bogen neu unter dem Namen «Eichholtz by Visite Privée» – mit einer von ihm kuratierten Selektion des holländischen Interior Designers. Es ist eine Partnerschaft, gewachsen auf Vertrauen und einem geteilten Verständnis, wie Räume berühren können. Raoul Sanchez ist überzeugt, mit dem neuen Partner den Zeitgeist Zürichs zu treffen. Daraus erschliesst sich doch gleich die erste Frage an den Interior Designer …


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Raoul Sanchez, wie lässt sich denn der Stil der Zürcher umschreiben?

Zürich hat ein sehr feines Gespür für Qualität. Modern und zeitlos soll es sein. Zeitlosigkeit wird übrigens leider oft mit Langeweile verwechselt. Ein grosses Missverständnis, denn ich verfüge in meiner Kollektion über Stücke aus 1965, die sich auch heute noch mühelos in verschiedene Räume integrieren lassen, um ihnen das gewisse Etwas zu verleihen. Also weit entfernt von Langeweile!

Ist denn Design nur dann gut, wenn es zeitlos ist? Oder darf es in einem Raum auch vergängliche Schönheit geben?

Beides darf und soll existieren. Ein Zuhause ist ein Prozess, es entwickelt sich mit dem Menschen. Wer ein Stück mit Emotionen kauft, wird es auch Jahre später noch schätzen – selbst wenn es dann nicht mehr der aktuellen Auffassung von Trend oder Schönheit entspricht. Deshalb tue ich mich auch schwer mit Onlinehandel im Interior: Man muss doch ein Objekt erleben, ertasten und erfahren …

Was ist Eleganz?

Eleganz ist kein starres Konzept. Sie entsteht aus der Atmosphäre, die ein Raum verströmt. Der Stil von Visite Privée lebt vom sensiblen Zusammenspiel verschiedenster Elemente – es ist die Komposition, die berührt. Ein Objekt kann ohne Kontext langweilig daherkommen, aber richtig inszeniert, erstrahlt es plötzlich.

Sie sprechen oft davon, dass Räume berühren sollen. Welche Emotionen möchten Sie wecken?

Wir bringen unsere Handschrift ein, doch schlussendlich ist das Interieur wie ein Spiegel seines Bewohners; sein Wohlgefühl ist zentral.

Die Natur hält verstärkt Einzug ins Wohnen – nicht mehr nur als Gast, sondern als Gastgeberin. Wo nehmen Sie diesen Biophilic-Trend wahr?

Nach der Pandemie haben viele meiner Kunden erkannt, dass cleane und kalte Räume auf Dauer nicht glücklich machen. Das Zuhause soll ein Rückzugsort sein, um Energie zu tanken. Dafür braucht es Elemente der Natur. Dieses Draussen nach drinnen zu bringen, auch mit Licht, wird also immer wichtiger.

Wann haben Sie Eichholtz erstmals entdeckt?

Damals war ich noch Creative Director bei Jelmoli und besuchte die Maison et Objet in Paris. Ich sah Eichholtz – und fand sofort Gefallen an dem Brand. Ich machte sogleich eine Bestellung, doch diese wurde storniert, da Eichholtz damals bereits einen Partner hier hatte. Ich hatte dafür Verständnis, war aber natürlich enttäuscht. 2020, inzwischen selbstständig, war ich wieder an der Messe – diesmal klappte es mit der Zusammenarbeit.

Eine kleine Liebesgeschichte also … Die Marke vereint klassische Anklänge mit zeitgenössischer Grandezza. Was reizt Sie an diesem Spannungsfeld?

Modern und klassisch schliessen sich nicht aus – im Gegenteil, ein Raum braucht diese Bewegung. Diese Vielseitigkeit macht Eichholtz so spannend – auch in der Partnerschaft mit uns.

Der holländische Interior Designer verfügt über ein aussergewöhnlich grosses Sortiment von 4000 verschiedenen Objekten. Was unterscheidet Eichholtz sonst noch von anderen Marken?

Der Service ist herausragend, besonders die rasche Verfügbarkeit: 95 Prozent der Kollektion sind sofort lieferbar. Die Geschichte der Marke begann vor über 30 Jahren, als Theo Eichholtz, fasziniert von der chinesischen Kultur, auf Reisen ging. Peu à peu ist daraus eine bemerkenswerte Kollektion entstanden – organisch gewachsen, mit viel Feingefühl.

Sie arbeiten in der Welt des Sichtbaren; mit Farben, Formen und Designs. Was ist das Unsichtbare, das einen Raum prägt?

Die eigentliche Tiefe erschliesst sich erst auf den zweiten Blick: in der Formensprache, den Materialien, der Haptik. Eichholtz schafft den Wow-Effekt beim ersten Eindruck – und bietet gleichzeitig vielschichtige Substanz beim näheren Hinsehen, die man spüren kann.

Gibt es einen Raum, der Sie selbst geprägt hat?

Mein Zuhause. Schon als ich noch ganz jung war, habe ich mein Geld lieber in meine erste Wohnung investiert als in den Ausgang mit Freunden. Heute, nach vielen Jahren Erfahrung, ist mir mit Visite Privée mein grosses Accomplishment gelungen, das Ergebnis von 15 Jahren Leidenschaft. Auch dank meinem Zuhause, Refugium und Wohlfühloase zugleich, habe ich trotz des Erfolgs nie die Bodenhaftung verloren.

Auf Ihrer Website sprechen Sie von «Möbel kuratieren». Ausserdem haben Sie früher in der Kunstgalerie von Andreas Thalmann gearbeitet. Klingt, als wären Sie so etwas wie ein Kunstsammler. Wenn Eichholtz ein Künstler wäre, welcher wäre es?

Ein Künstler, der sich permanent weiterentwickelt, wie Picasso. Er hatte verschiedene Phasen – die blaue, später die abstrakte, dann befasste er sich mit Keramik und Skulpturen. Immer in Bewegung. Auch Eichholtz bleibt nie stehen, sie bringen jährlich zwei neue Kollektionen heraus. Beeindruckend!

Deren Design wirkt auf den ersten Blick sehr international. Was ist typisch holländisch?

Es stimmt, bei Eichholtz spürt man auf den ersten Blick wenig Holland raus. Früher waren sie viel in Amerika tätig, heute vermehrt in Europa, weshalb die Designs noch moderner und eleganter geworden sind. Die Holländer haben aber durchaus ein Faible fürs Interior …

Woher stammt dieser Eindruck?

Jedes Mal wenn ich in Holland bin und im Taxi sitze – auf dem Weg zum Showroom von Eichholtz –, komme ich an diesen typisch holländischen Villen vorbei: rechts die Tür, links das grosse Fenster. Die Vorhänge stehen jeweils offen, man kann hineinspähen – in der Schweiz sind wir da zurückhaltender und möchten stets unsere Privatsphäre wahren. Bei den Holländern stehen aber manchmal sogar Blumen auf dem Fensterbrett, als würden sie extra für den neugierigen Beobachter wie mich hingestellt, um diesen kurzen Moment zu zelebrieren, in dem sich unsere zwei Welten kreuzen. Im Winter, wenn drinnen das Licht brennt, kann man den Raum noch besser wahrnehmen: das Licht, die Möbel, die Bilder ... Ich liebe es, einen Blick auf diese fremden Geschichten zu erhaschen.