Die Intuition hinter der perfekten Pinzette

Design & Kunst

03.07.2025
Carole Bolliger

4 Minuten

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Die Intuition hinter der perfekten Pinzette

Design & Kunst

Die Intuition hinter der perfekten Pinzette

Im Herzen der Schweizer Industrie, wo traditionelles Handwerk und Innovation seit Generationen aufeinandertreffen, steht ein Unternehmen, das wie kaum ein anderes für Präzision und Charakter steht: Rubis Outils. An der Spitze steht – mit vorausschauendem Blick und feinem Gespür für das Wesentliche – Fides Baldesberger. Ihr Weg ist einer, der von Intuition, Gestalterwille, Mut und einer tiefen Überzeugung für Qualität und Ästhetik geprägt ist. Im Gespräch mit dem «Zürcher Bahnhofstrasse Magazine» wird deutlich: Hinter diesem scheinbar einfachen Alltagsprodukt verbirgt sich eine Welt aus Geschichte, Philosophie und persönlichem Engagement.

Was macht denn eine wirklich gute Pinzette aus? «Sie versprüht sofort eine wunderbare, qualitative Haptik», so Baldesberger. Im Regal würden viele Produkte gleich aussehen, doch der Unterschied offenbare sich im Moment des Gebrauchs: das Gefühl, die Präzision der Spitzen, das perfekte Schliessen. «Hand und Werkzeug stehen in einer Symbiose zueinander.» Dieses unmittelbare Erleben von Qualität ist das Fundament des Erfolgs von Rubis – und zugleich Ausdruck einer Haltung, die das Schöne und Nützliche eines Alltagsobjekts miteinander verbindet.

Die Geschichte von Rubis ist eng mit der Schweizer Uhrenindustrie verknüpft. Die ersten Präzisionspinzetten wurden entwickelt, um kleinste Rubine in die Uhrwerke einzusetzen. Daher stammt auch der Firmenname Rubis. Später diversifizierte die Firma in die Elektronik. Als Fides Baldesberger das Unternehmen übernahm, befand sich dieses in einer schwierigen Zeit. «Die Frage war damals nicht, wann der Erfolg eintritt, sondern ob es ein Überleben gibt», erinnert sich Fides Baldesberger. Die Maschinen waren veraltet, der Markt einseitig, das Gebäude marode und Marketing wurde kaum betrieben. In dieser Situation musste sie, ausgebildete Kunsthistorikerin und Gemmologin, das Unternehmen ihrer Familie unverhofft übernehmen. «Ich fühlte mich damals, als hätte man mich ins kalte Wasser geworfen», gesteht sie. Doch manchmal ist es genau diese Not und Unvoreingenommenheit, die Neues möglich macht.

Der Frust über schlechte Kosmetikpinzetten wurde zum Antrieb: «Es war mir unverständlich, dass für Frauen und auch in der Kosmetikbranche keine gut funktionierenden Pinzetten zu finden waren.» Schnell erkannte sie ein grosses Marktpotenzial und entwickelte zusammen mit ihrem Team eine Pinzette, die nicht nur funktional war, sondern sich auch durch ihre Ästhetik und Langlebigkeit auszeichnete. Die Rubis-Pinzette war geboren – und avancierte zum «Ferrari unter den Pinzetten», wie Make-up-Artistin Bobbi Brown sie nannte. Doch der Weg zum internationalen Erfolg war steinig. «Es gibt nur einen kleinen Prozentsatz von Konsumenten, die wirklich das Beste wollen», erklärt Fides Baldesberger. Doch in einer globalisierten Welt voller sich ähnelnder Billigprodukte hat es Rubis geschafft, sich als Nischenanbieter zu behaupten.

Dieser Wandel von Rubis war kein Selbstläufer; die Schöpferkraft gepaart mit Verantwortungsgefühl für die Mitarbeitenden wurde zum Motor … und ihr innerer Kompass, der ihr stets die Richtung wies: «Ich arbeite sehr stark mit Intuition und kann mich immer auf sie verlassen.» Unternehmerischer Mut – und davon hat sie mehr als genug – sei letztlich wie ein Zug, von dem man nicht mehr abspringen könne.

Als Frau an der Spitze eines technischen Unternehmens war Baldesberger lange eine Ausnahmeerscheinung. «1984 schien das beinahe aussichtslos und ich war sozusagen eine Exotin», erinnert sie sich. Die Erwartungen waren gering – ihre männlichen Konkurrenten schlossen sogar Wetten ab, wie lange sie durchhalten würde. Doch genau das wurde zum Vorteil: «Man hat von mir nichts erwartet. Ich konnte nur gewinnen.» Heute, so sagt sie, spiele ihr Geschlecht keine Rolle mehr. Die Herausforderungen des Exportunternehmens sind andere geworden: hohe Löhne, starker Franken, zunehmender Preisdruck, neue Gesetze … vor allem aber das internationale geopolitische Umfeld, das sich im Aufbruch befindet. Und doch bleibt sie der Schweiz aus Überzeugung treu. «Wenn ich die Produktion ins Ausland verlagern würde, ginge unsere typische Swissness verloren.» Für Baldesberger ist Swiss Made nicht nur ein Label, sondern ein Bekenntnis zu Qualität, Vertrauen und Luxus – und ein Stück Identität. Nachhaltigkeit ist für sie zudem kein Marketing-Schlagwort, sondern gelebte Praxis: in der Produktion möglichst keinen Verschleiss, wenig Abfall, Solarpanel auf dem Dach. Rubis ist für Fides Baldesberger längst mehr als ein Familienunternehmen – sie hinterlässt ein persönliches Vermächtnis mit ihrer Handschrift, aufgebaut auf festem Schweizer Boden mit soliden Werten und einem motivierten Team. So ist Rubis auf die Zukunft vorbereitet.

So steht die Firma heute – nach 64 Jahren – nicht nur für Präzision, sondern auch für die Kunst, aus einem kleinen Werkzeug ein grosses Statement zu machen: Schweizer Handwerkskunst und internationales Luxusverständnis lassen sich in der perfekten Pinzette vereinen.