Le Corbusier Pavillon: Ein grosses Vermächtnis der Architektur

Erlebniswelt

04.07.2025
Frank Joss

10 Minuten

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Le Corbusier Pavillon: Ein grosses Vermächtnis der Architektur

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Le Corbusier konzipierte das Gebäude von Beginn weg als Ausstellungspavillon; sein Ziel war kein geringeres, als den idealen Ort für Ausstellungen zu bauen. Kunst, Architektur und Leben sollten in diesem Bau zu einer neuen Einheit verschmelzen. Mit dem als Ausstellungsraum konzipierten Pavillon setzte er seine Vision einer «Synthese der Künste» um. Zahlreiche Skizzen und Pläne zeugen von der langen Entwicklungszeit ab Mitte der 1950er-Jahre. Die schiffsähnliche Konstruktion basiert auf dem von Le Corbusier entwickelten Proportionssystem Modulor und macht – quasi als architektonisches Vermächtnis – viele seiner Entwurfsprinzipien sichtbar. Darunter beispielsweise die Vorfabrikation, wiederkehrende Bauelemente wie die Erschliessungsrampe oder den kleinen Dachgarten sowie die «promenade architecturale», die sorgfältig konzipierte Wegführung durch ein Gebäude, um die Architektur für den Betrachter optimal in Szene zu setzen und erfahrbar zu machen. Der Bau ist der letzte umgesetzte Entwurf des einflussreichen Architekten und sein einziges Gebäude aus Stahl und Glas. Das farbenfrohe, filigran wirkende Haus ist auf der ganzen Welt als architektonisches Juwel bekannt und stellt als begehbares Gesamtkunstwerk ein kulturelles und touristisches Highlight für Zürich dar. Der Museumsbetrieb Pavillon Le Corbusier ist jeweils von Mai bis November geöffnet. Die Besucher können ihn selbstständig begehen und entdecken. Auf rund 600 Quadratmetern und über vier Geschosse hinweg gewährt der Pavillon unterschiedliche Ein- und Ausblicke. Die im ganzen Gebäude verteilten, teilweise fix eingebauten Möbel Le Corbusiers laden zum Ausruhen ein. Letztlich ist sogar die kleine Dachterrasse mit freiem Blick auf das Zürichhorn und den See zugänglich.

Jedes Jahr wird eine neue Wechselausstellung präsentiert, die die verschiedenen Facetten des Wirkens von Le Corbusier thematisiert. Der schweizerisch-französische Architekt, Architekturtheoretiker und Stadtplaner betätigte sich nämlich auch als Maler, Zeichner, Bildhauer und Möbeldesigner und hinterliess ein höchst vielfältiges Werk mit grosser Strahlkraft. Ein abwechslungsreiches Vermittlungsprogramm mit Führungen, Ausstellungsgesprächen und Workshops sowie eine Konzertreihe machen den Pavillon für wiederholte Besuche attraktiv.

Geschichte des Gebäudes

Der Pavillon Le Corbusier wurde auf Initiative und dank dem Engagement der Innenarchitektin, Galeristin und Mäzenin Heidi Weber gebaut. Sie gewann Le Corbusier für das Projekt, erhielt von der Stadt Zürich das Land auf der Blatterwiese für fünfzig Jahre im Baurecht und trieb den Bau trotz vielfältiger Schwierigkeiten mit Beharrlichkeit und Ausdauer voran. So wurde die 1964 begonnene Ausführung des Bauwerks durch den Tod Le Corbusiers im August 1965 unterbrochen und zur erfolgreichen Finalisierung des Baus musste ein neues Projektteam aufgestellt werden.

1967 wurde das Gebäude – als letzter umgesetzter Entwurf von Le Corbusier – eingeweiht. Nach Ablauf des Baurechts ging es 2014 ins Eigentum der Stadt Zürich über. In deren Auftrag wurde der Museumsbetrieb während vier Jahren von Eva Wagner geleitet, bevor der Bau von Oktober 2017 während zwei Jahren umfassend renoviert und instand gesetzt wurde. Die Architekten Silvio Schmed und Arthur Rüegg haben dabei den denkmalgeschützten Bau akribisch analysiert und mit viel Sachverstand und grosser Detailliebe saniert. Der Bau erstrahlt heute in derselben Frische, Eleganz und Farbigkeit wie bei seiner Fertigstellung.

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Vers une architecture: Reflexionen

Ein Jahrhundert Moderne neu denken – Architektur als Resonanzraum für Gegenwart und ZukunftVor 100 Jahren veröffentlichte Le Corbusier mit Vers une architecture (1923) ein Buch, das zur Ikone der architektonischen Moderne werden sollte. Darin entwarf er nicht nur eine neue Sprache des Bauens, sondern eine radikale Vision der Zukunft: rational, funktional, industriell – eine Architektur für das Maschinenzeitalter. Ein Jahrhundert später fragt die Ausstellung «Vers une architecture: Reflexionen» im Zürcher Pavillon Le Corbusier: Wie aktuell ist dieses Denken heute? Welche Spuren hat es hinterlassen – und welche neuen Wege lassen sich daraus entwickeln?

In einem Bauwerk, das selbst zur Quintessenz seines Spätwerks zählt – dem letzten realisierten Projekt Le Corbusiers –, entfaltet sich ein vielstimmiger, internationaler Dialog über die kulturelle, soziale und ästhetische Dimension der Architektur im 21. Jahrhundert. Die Ausstellung wurde von Damian Fopp und Simon Marius Zehnder kuratiert und versammelt acht künstlerische und architekturtheoretische Positionen, die das Erbe der Moderne befragen, reflektieren, verschieben – und weiterdenken.

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Architektur als Spiegel und Projektionsfläche

Die Ausstellung macht den Pavillon nicht nur zum Schauplatz, sondern selbst zum Protagonisten: Seine gläserne Hülle, die klare Farbgebung und das von Le Corbusier entwickelte «Modulor»-Masssystem bilden die Bühne für eine Reihe von Beiträgen, die sich mit Themen wie Raumwahrnehmung, Körper, Technologie, Migration, Nachhaltigkeit und gesellschaftlicher Teilhabe auseinandersetzen.

Das Spektrum dieser Gastbeiträge reiche von «modernistischen Ruinen über das Haus als Maschine bis hin zu architektonischen Visionen durch den Einsatz von KI», so das Museum für Gestaltung. Unter anderem präsentiert das Drawing Architecture Studio aus Peking seine konzeptionelle Neuinterpretation von Le Corbusiers «Wohnmaschine», in der es tatsächliche Maschinen zu Wohn- und Arbeitsräumen umgestaltet. Der Pariser Künstler Jean Jacques Balzac nutzt KI, um die Schwarz-Weiss-Aufnahmen aus Le Corbusiers Buch in hochdetaillierte digitale Bilder zu verwandeln. Das Architekturbüro Limbo Accra aus Ghana setzt sich hingegen mit den ungewollten Nachwirkungen der Moderne auseinander, insbesondere mit Ruinen und verlassenen Gebäuden, die als «stille Zeugen gescheiterter Ideale» zurückblieben.

Die gezeigten Werke – darunter architektonische Modelle, Zeichnungen, Videoinstallationen, digitale Visualisierungen und Texte – öffnen einen Reflexionsraum, der historische Perspektiven mit gegenwärtigen Herausforderungen verbindet. Die Teilnehmer greifen dabei nicht nur auf die Formen- und Begriffswelt Le Corbusiers zurück, sondern auch auf globale, feministische, postkoloniale und ökologische Narrative, die in Vers une architecture nicht vorkamen – heute aber unverzichtbar sind.

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Positionen zwischen Kritik, Hommage und Neuinterpretation

Die acht gezeigten Beiträge stammen von international tätigen Künstlern, Architekten und Theoretikern. Gemeinsam ist ihnen ein kritischer, aber produktiver Umgang mit dem modernen Erbe. So entstehen Arbeiten, die zwischen analytischer Strenge und poetischer Geste oszillieren, zwischen konzeptueller Schärfe und sinnlicher Erfahrung. Einige Projekte widmen sich der Dekonstruktion architektonischer Autorität, andere erkunden, wie moderne Prinzipien in nicht-westlichen Kontexten interpretiert wurden. Wieder andere hinterfragen die Exklusivität und Normativität der modernen Architektur aus geschlechtlicher oder sozialer Perspektive – und entwickeln daraus neue, spekulative Räume.

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Ein Jahrhundert später

«Vers une architecture: Reflexionen» ist keine nostalgische Rückschau, sondern ein offenes Plädoyer für das Weiterdenken von Architektur. Die Ausstellung schlägt Brücken zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Theorie und Praxis, Körper und Raum. Sie zeigt Architektur als Medium gesellschaftlicher Aushandlung – und als Ausdruck einer Haltung zur Welt.

Dauer: 25. April – 23. November 2025

Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 12–18 Uhr, Montag geschlossen

Kuratiert von Damian Fopp und Simon Marius Zehnder

Pavillon Le Corbusier
Höschgasse 8, 8008 Zürich
Museum für Gestaltung Zürich
www.pavillon-le-corbusier.ch


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Hundert Jahre nach dem Erscheinen von Vers une architecture diskutiert die neue Ausstellung über Wirkung und Wandel moderner Architektur. Kurator Simon Zehnder erklärt im Gespräch, warum Le Corbusier heute noch provoziert.

Die Fragen hat Larissa Groff gestellt.

Dass Charles-Édouard Jeanneret-Gris, besser bekannt als Le Corbusier, als Architekt, Theoretiker, Zeichner und Möbeldesigner die Welt verändert hat, wissen die meisten. Erzählen Sie uns etwas, das man noch nicht weiss.

Ein bemerkenswertes Foto des Fotografen Brassaï zeigt Le Corbusier an einem Tisch sitzend, während er eine Katze streichelt. Diese Szene wurde 2019 im Pavillon Le Corbusier in Zürich präsentiert und zeigt eine fast intime Seite des Architekten, fernab seines sonst so strukturierten Images. Tiere tauchen auch in seinem Werk auf, etwa die Katze im Gemälde La dame au chat et à la théière von 1928. Vierbeinige Gefährten begleiteten ihn sein Leben lang. Ein weiterer wichtiger Bezug ist der Stierkopf, sichtbar in seinen Lithografien. Ab 1936 war der Labrador-Mischling Jimmy oft an seiner Seite; am bekanntesten war der Schnauzer Pinceau (Pinsel). Le Corbusier pflegte einen funktionellen und konzeptionellen Kult um seine Hunde: Nach Pinceaus Tod liess er das Fell gerben, um damit eine Ausgabe von Don Quijote einzubinden. Der Schädel des Hundes wurde mit einem Federmechanismus versehen, der das Maul beweglich machte – wahrscheinlich ein Ausdruck seiner Affinität zum Surrealismus. In einigen seiner Werke zeigt er eine subtile, abstrakte Nähe zur Natur, durch Form, Material oder auch Rückzugsmotive. Seine Tierbeziehungen zu Hunden wie auch Katzen waren privat, nicht programmatisch.

Corbusier prägte mit seinen Prinzipien «fünf Punkte einer neuen Architektur» das moderne Verständnis der Architektur. Inwiefern sind diese Prinzipien noch heute aktuell?

Die Pilotis (Stützen statt tragender Wände), die das Gebäude vom Boden abheben, werden heute noch vielfach genutzt – bei Stadt- und Hochhausarchitektur. Sie ermöglichen flexible Erdgeschossnutzung, zum Beispiel für Parkplätze oder Gemeinschaftsräume. Klimatisch erfordern sie jedoch sorgfältige Planung gegen Wind und Kältebrücken.

Das Flachdach als Dachgarten ist hochaktuell, heute oft mit Gründächern oder Solardächern versehen – beides wichtige Elemente nachhaltiger Architektur.

Der freie Grundriss ohne tragende Innenwände ermöglicht flexible Nutzung und wird in Büro-, Wohn- und Modulbauten breit eingesetzt. Er steht für eine lange Lebensdauer von Gebäuden.

Lange Fensterbänder mit gleichmässiger Lichtverteilung sind beliebt, da sie Tageslicht und Ausblick bieten. Energetisch sind Dreifachverglasung und intelligente Fassaden Teil moderner Konzepte, die Wärmeverlust und Überhitzung ausbalancieren.

Die freie Fassadengestaltung unabhängig vom Tragwerk ist Standard im Hochbau. Glasfassaden und modulare Systeme basieren darauf, was grosse gestalterische Freiheit ermöglicht.

Mindestens drei der fünf Punkte sind heute prägend. Pilotis und Fensterband werden oft modifiziert oder kritisch betrachtet, aber Le Corbusiers Ideen leben weiter – meist in abgewandelter Form.

Der Brutalismus als Architekturstil wurde unter anderem von Le Corbusier geprägt. Mittlerweile werden die gigantischen Gebäude aus dem kalten Beton mit eher kritischem Blick betrachtet, aber trotzdem wird das Material auch heute noch sehr oft für den Bau verwendet. Was denken Sie, kann Beton Charme haben?

Beton kann definitiv Charme haben, auch wenn das zunächst widersprüchlich klingt. Das entsteht durch Gestaltung, Kontext, Materialqualität und kulturelle Prägung. Was früher als kalt galt, wirkt heute oft ehrlich, roh und charaktervoll. Beton zeigt sich authentisch, ohne Verkleidung. Er lässt sich weich geschwungen (wie bei Oscar Niemeyer) oder streng geometrisch (wie bei Tadao Ando) formen. Er kann würdevoll, meditativ oder monumental sein. Gut gealterter Sichtbeton entwickelt eine Patina – mit Rissen, Verfärbungen und Wettersignaturen. Betonarchitektur erlebt eine ästhetische Renaissance. Gebäude wie das Barbican Centre in London oder Le Corbusiers Kloster La Tourette gelten heute als Ikonen.


Welche Bedeutung hat der Pavillon Le Corbusier als letztes gebautes Gebäude des weltberühmten Architekten, das 1967 eröffnet wurde?

Der Pavillon ist ein prototypenhaftes, temporäres Ausstellungsgebäude – das letzte vollendete Oeuvre Le Corbusiers, denn während der Bauzeit verstarb er. Die Innenarchitektin und Mäzenin Heidi Weber initiierte und finanzierte das Projekt, und mit den Architekten Alain Taves und Robert Rebutato wurde es in Le Corbusiers Sinn vollendet. Kunst, Architektur und Leben sollten hier verschmelzen. Die schiffsähnliche Konstruktion basiert auf seinem Proportionssystem Modulor und zeigt viele seiner Entwurfsprinzipien, etwa Vorfabrikation, Erschliessungsrampe, Dachgarten und die promenade architecturale – die Wegführung durch das Gebäude, um es erfahrbar zu machen. Der Pavillon ist sein einziges Stahl- und Glasgebäude und gilt weltweit als architektonisches Juwel und kulturelles Highlight Zürichs.

Wenn Sie eine Zeitmaschine hätten und mit Le Corbusier einen Abend unter Architekturliebhabern verbringen könnten, welche drei Fragen würden Sie ihm stellen?

Zuerst würde ich gerne auch zwei seiner Wegbegleiter dabeihaben: Amédée Ozenfant, Mitbegründer des Purismus und Künstler, sowie Charlotte Perriand, Architektin und Möbeldesignerin.

Von Le Corbusier würde ich mehr über die tracés régulateurs wissen wollen – seine regulierenden Linien, die Harmonie in Proportionen schaffen. Diese Idee erinnert an die griechische Antike und ihre Tempelbauten. Abgeleitet aus der Architektur der griechischen Antike nimmt es mich wunder, wo Le Corbusier in der Gegenwart ein entsprechendes Gegenüber findet.

Bei Amédée Ozenfant würde ich in die Geschichte des Purismus eintauchen, der Kunstströmung, die er mit Le Corbusier gründete. Ich möchte seine Motivation für die Zeitschrift L’Élan (1915–1917) verstehen, wo er erste Purismus-Gedanken veröffentlichte. Die Zusammenarbeit mit Le Corbusier ab 1917 und ihr gemeinsames Werk Après le cubisme sind faszinierend. Mich interessiert auch das geplante europäische Kunstschulprojekt Académie Européenne Méditerranée an der Côte d’Azur in den 1930er Jahren, das multidisziplinär konzipiert war und Künstler aus ganz Europa zusammenbringen sollte.

Charlotte Perriand würde ich zum Entwurf ihrer ikonischen Möbelserie befragen, die sie in Anstellung bei Le Corbusier weiterentwickelte, sowie zum Skigebiet Les Arcs in Frankreich, das sie entwarf. Perriand arbeitete über zehn Jahre mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret, war eine Vorreiterin für Frauen in Architektur und Design und beeinflusste das japanische Industriedesign. Sie war eng mit der Natur verbunden, besonders mit den Bergen, was ihre Arbeit prägte. Les Arcs wurde als autofreies, umweltfreundliches Skigebiet geplant, bei dem die Gebäude sich harmonisch in die Landschaft einfügen. Les Arcs würde ich sodann auch als Ort für das Treffen bevorzugen, am liebsten im Winter.