Die Kunst der komplexen Schlichtheit – oder die Geschichte der besten Pizza der Schweiz


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Die Pizza ist eine runde Erfolgsgeschichte, denn wer mag sie nicht: die leckere, goldbraun gebackene, mit Mozzarella überzogene Lebensfreude. Sie ist überall präsent, in fast allen Städten und jedem Dorf, das was auf sich hält. Man könnte diese Allgegenwärtigkeit der Profanität gleichtun, aber weit gefehlt. Eine richtige Pizza braucht Geduld, die richtigen Ingredienzien sowie eine Prise Poesie … und eine gewisse Geheimzutat, die scheinbar nur die Neapolitaner kennen. Wir haben nach der besten Pizza der Schweiz gesucht – und sind fündig geworden. Im Napulé Zollikon wollen wir beim lockeren Gespräch mit dem Direktor Lorenzo Grenga, der Geschäftsführerin Cristina Tarallo und dem Pizzaiolo Gennaro Cozzolino der Essenz der neapolitanischen Küche auf die Spur kommen.
«Man kann es nicht allen recht machen. Man ist ja schliesslich keine Pizza», sagt ein Sprichwort, das gelegentlich scherzhaft Leonardo DiCaprio zugeschrieben wird. Was meinen Sie: Ist Pizza ein kleines Stück hausgemachten Glücks?
Lorenzo Grenga: Definitiv. Es ist dieser Moment, den man mit der Familie teilt, denn Pizza haben alle gern – die Grossen und die Kleinen.
Der Name Napulé ist neapolitanisch für Napoli, «la città del sole». Welche Begriffe verbinden Sie mit der Stadt?
Cristina Tarallo: Napoli ist Heimat, Familie, enge Gassen, Düfte …
Grenga: … Geschmack, Chaos, Tradition, Aromen … und der Sugo von der Nonna. Napoli ist ein Seelenzustand. Wer es einmal erlebt hat, den lässt es nie mehr los.
Gennaro Cozzolino, Ihre Hände formen aus Teig und Feuer etwas, das viele als die beste Pizza der Schweiz bezeichnen. Was empfinden Sie, wenn Sie den Ofen anfeuern?
Gennaro Cozzolino: Jedes Mal, wenn ich eine Pizza zubereite, tue ich das, als wäre sie für mich selbst – mit der gleichen Hingabe und Liebe. Und dann beobachte ich die Gesichter der Gäste, um zu sehen, ob es ihnen geschmeckt hat. Für mich ist es wichtig, nicht nur eine Pizza zu backen, sondern Emotionen zu vermitteln – es ist meine Art, Neapel zu erzählen.
Was bedeutet Gastfreundschaft für Sie?
Grenga: Sie liegt uns im Blut. Wir sind dafür geboren; fürs Essen und dafür, es zu feiern.
Tarallo: Ich verbinde damit Herzlichkeit, Offenheit, Freude, einfach Sein.
Was ist das schönste Kompliment, das Sie je erhalten haben?
Cozzolino: Jemand hat einmal gesagt, meine Pizza sei besser als die in Neapel.
Tarallo: Wenn der Teller leer ist. Wir haben Gäste, die schon seit zehn Jahren zu uns kommen. Sie kennen das gesamte Team beim Namen – auch das ist ein Kompliment.
Schlummern Träume in Ihrem Ofen? Wohin könnte die Reise von Napulé noch führen?
Grenga: Wir eröffnen bald zwei weitere Filialen – im Seefeld und in Lachen.

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Was können die Zürcher von den Neapolitanern lernen?
Tarallo: Die Zürcher haben es manchmal verlernt, einfach in den Tag hinein zu leben.
Was ist die geheime Zutat im Teig, die Seele einer guten Pizza?
Grenga: Liebe und Einfachheit.
Herr Cozzolino, ein dunkler Moment im Leben eines Pizzaiolo: Ein Gast wünscht Ananas, Würstchen oder Pommes frites auf seiner Pizza. Wie reagieren Sie?
Cozzolino: Das ist wie Eiswürfel im Espresso! Ich versuche, ihn sanft auf den richtigen Weg zu bringen …
In einer Welt, die sich ständig wandelt – was möchten Sie bei Napulé unbedingt bewahren?
Grenga: Wir wollen die typisch italienische Atmosphäre erhalten – und die Qualität der Pizza muss immer konstant bleiben.
Cozzolino: Wir achten auch innerhalb des Teams darauf, dass jeder diese Philosophie mitträgt und das gleiche Verständnis für die Pizza lebt.
Die Pizza gilt als simples Gericht – doch ihre Schlichtheit ist trügerisch. Für die einen ist sie hohe Kunst, für die anderen ein schneller Imbiss. Was lehrt uns die Pizza über das Leben?
Cozzolino: Die Pizza wird heute noch genauso schlicht zubereitet wie seit eh und je. Sie ist an einem Ort entstanden, hat die Welt erobert und sich dabei – von wenigen kleinen Anpassungen abgesehen – kaum verändert. In einer Zeit, die rast, bleibt die Pizza stehen – und geht trotzdem um die ganze Welt, dank ihrer schlichten Schönheit. Man muss im Leben nicht immer alles verkomplizieren …
Wenn Sie selbst eine Pizza wären – welche wäre das?
Cozzolino: Margherita. Es gibt ein Sprichwort: «Die Einfachheit ist eine komplexe Sache.» Das Zusammenspiel von Tomate, Basilikum und Mozzarella … wenn man hineinbeisst, schmeckt man nicht die einzelnen Zutaten, es ist fast wie Umami: ein schlichter, aber tiefgründiger Geschmack. Die Margherita ist die Königin der Pizzen.
Tarallo: Ganz klar, Capricciosa!
Grenga: Speciale – die Tagespizza. Mit ein bisschen Schärfe und ganz viel Herz.
Welche Pizza auf Ihrer Karte erzählt eine Geschichte?
Grenga: Die Pizza Napulé – sie vereint die schönsten Zutaten Neapels: frische Tomaten, scharfe Salami, Oliven …
Tarallo: Da kommt mir dieses Lied von Pino Daniele in den Sinn:
Napule è mille culure
Napule è mille paure
Napule è a voce de’ criature
Che saglie chianu chianu
E tu sai ca nun si sulo
Neapel ist tausend Farben
Neapel ist tausend Ängste
Neapel ist die Stimme der Kinder
die langsam emporsteigt
und du weisst, du bist nicht allein